MULTI-ReUse auf der Leitmesse für Umwelttechnologien IFAT 2018 in München, Deutschland

MULTI-ReUse Projekt ist abgeschlossen

Im Zentrum der Untersuchungen im MULTI-ReUse Projekt stand eine Pilotanlage in Niedersachsen auf der kommunalen Kläranlage in Nordenham. In dieser Küstenregion mit Wassermangel wurde mit einem modularen Aufbereitungssystem konventionell gereinigtes Abwasser unter realen Bedingungen weitergehend behandelt, um es als Betriebswasser in einem Industriebetrieb einsetzen zu können. MULTI-ReUse hat darüber hinaus noch weitere Verwendungsmöglichkeiten untersucht, die weltweit von Bedeutung sind. Dazu gehören die landwirtschaftliche Bewässerung, urbane Anwendungen und die Grundwasseranreicherung. Voraussetzungen hierfür sind hygienische Unbedenklichkeit und die Entfernung anthropogener Spurenstoffe.

In der Pilotanlage wurden die Verfahren Ultrafiltration (UF), Umkehrosmose (UO), Aktivkohlefiltration und UV-Desinfektion flexibel zu Aufbereitungsketten kombiniert sowie innovative Verfahren zur Online-Überwachung der mikrobiologischen Hygiene und zur Bestimmung von biologisch verwertbarem Kohlenstoff entwickelt. Bei der Verfahrensoptimierung unter Praxisbedingungen sollten Synergiepotenziale von UF und UO ausgeschöpft werden, um diese Technologien für die Anwendung in der Wasserwiederverwendung attraktiver zu machen. Ein Bewertungskonzept für geeignete Rohrleitungswerkstoffe war ebenfalls Untersuchungsgegenstand.

Neben der Schließung von verfahrenstechnischen Wissenslücken wurden in MULTI-ReUse Entscheidungshilfen für potentielle Anwender erarbeitet, die zentralen Erkenntnisse für potenzielle Anwender und Multiplikatoren verständlich aufbereitet, sowie zielgruppenspezifisch bzw. allgemein verfügbar gemacht.

Ergebnisse

Es können grundsätzlich folgende Betriebswasserqualitäten erzeugt werden:

  • Betriebswasser mit geringen Anforderungen, z.B. industrielles Waschwasser oder zur Straßenreinigung
  • biologisch stabiles Betriebswasser, mit reduziertem Spurenstoffgehalt, z.B. zur Verwendung für Bewässerungszwecke oder zur Grundwasseranreicherung (Elimination von einigen Arzneimittelstoffen, Benzotriazolen und Glyphosat zu über 80 %)
  • Betriebswasser mit hohen Anforderungen, da es ionenarm ist und ein Minimum an organischen Spurenstoffen für bestimmte industrielle Prozesse erzeugt werden kann; Elimination fast aller untersuchten Spurenstoffe – auch Röntgenkontrastmittel – zu über 90 %

Die MULTI-ReUse-Technologie wurde in einer knapp einjährigen Demonstrationsphase unter realen Bedingungen angewendet und optimiert. Für einen stabilen Langzeitbetrieb hat sich folgende Verfahrenskette/Parametrierung als geeignet erwiesen:

  • Flockungsprozess mit Eisen(III)chlorid im Zulauf zur UF im sog. Coating-Modus (zu Beginn der Filtrationszeit hohe und danach niedrige Dosiermenge für ein rasches Eisenhydroxid-Coating auf der Membran)
  • UF mit einem Flux von 60 L/(m²·h), einer Ausbeute von 90 % und täglich einer chemisch unterstützen Spülung (CEB)
  • Desinfektion mittels Zugabe von 1 mg/l Monochloramin (7 Stunden täglich) in den Vorlagetank zur UO (Minderung von Aufkeimung und Biofilmbildung)
  • UO mit Niederdruck-Modulen inklusive innovativem Spacer bei einem Flux von 16 L/(m²·h), 70 % Konzentratrückführung und 75 % Ausbeute
  • chemische Membranreinigung (CIP) von UF und UO nach Bedarf
  • optional: Dosierung von Pulveraktivkohle vor der UF zur Reduzierung von Biofouling und RO-gängigen organischen Mikroverunreinigungen (Benzotriazole)

Die bakteriologische Online-Qualitätskontrolle mittels „Durchflusszytometrie“ bewährte sich als ein sehr wirkungsvolles Überwachungsverfahren. Mit ihr ist eine Bestimmung der im Wasser befindlichen Gesamtzellzahl und dessen Aufkeimungspotenzials auch online und fast in Echtzeit (15 min Dauer) möglich. Das zu Beginn der Pilotversuche ermittelte starke Aufkeimungspotenzial der Filtrate und Permeate (trotz eines DOC < 0,1 mg/L) gab Anlass, für den stabilen Demonstrationsbetrieb die Desinfektion mit Chloramin nachzurüsten. Mittels Durchflusszytometrie lässt sich auch die Integrität der UF-Module überwachen. Als zweites Verfahren wurde das „reverse isotope labelling“ entwickelt, mit dem das Aufkeimungspotenzial über die Abbaubarkeit des DOC im Wasser bestimmt wird. Zudem erfolgte eine Überprüfung der toxikologischen Wirkung. Entlang der gesamten Aufbereitungskette war kein gentoxisches Potential in den Wasserproben nachweisbar. Die im Kläranlagenablauf ermittelte östrogene Wirkung wurde durch jeden Aufbereitungsschritt reduziert und konnte im Umkehrosmose-Permeat nicht mehr nachgewiesen werden.

Eine Entscheidungshilfe zur Auswahl geeigneter Rohrwerkstoffe für Verteilungs- und Betriebswassernetze wurde erarbeitet und durch praxisnahe Untersuchungen abgesichert.

Zur Unterstützung potentieller Anwender der entwickelten MULTI-ReUse-Technologie wurde ein Bewertungswerkzeug entwickelt, mit dem Vor- und Nachteile gegenüber dem derzeitigen Versorgungskonzept mit Trinkwasser für den betrachteten Einzelfall ermittelt werden können. Dabei werden ökologische, ökonomische sowie soziale Fragestellungen berücksichtigt. Eine umfassende Bewertung für den Fall Nordenham ergab, dass die Wasserwiederverwendung die Bereitstellung insgesamt höherer Wassermengen in dieser Region zu wirtschaftlich konkurrenzfähigen Preisen ermöglicht.

Perspektiven für die Praxis

MULTI-ReUse hat eine Referenzanlage für die Wasserwiederverwendung in Deutschland konzipiert, die Prozesszuverlässigkeit sowie ein entscheidend verbessertes Qualitätsmonitoring demonstriert. Diese Technologien sowie das entwickelte Excel-basierte Bewertungstool können sowohl in Deutschland, aber auch in anderen Ländern mit geringerer Wasserverfügbarkeit zur Anwendung kommen. Die Identifikation aussichtsreicher Zielmärkte und die Erarbeitung begünstigender Konstellationen soll den Transfer der erarbeiteten Lösungen auch für den Export unterstützen. Mit Hilfe eines MULTI-ReUse-Kurzfilms und eines spielerisch-interaktiven Touchtables kann außerdem Wissenstransfer auf „Learning Expeditions“ eindrucksvoll unterstützt werden. Projektergebnisse und Informationen zur MULTI-ReUse-Technologie und zu den Marktpotenzialen sind zudem in Factsheets aufbereitet und allgemein, auch in Englisch, verfügbar (hier geht es zu den Factsheets).

Übersicht der Verfahrensketten der Multi-ReUse Pilotanlage
Übersicht der Verfahrensketten der Multi-ReUse Pilotanlage

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